Dienstag, Mai 24, 2005

Staatsrechtler Isensee im Interview: „Ein schmieriger Umweg"

Gerhard Schröder hat die politische Öffentlichkeit in Erstaunen versetzt, als er am Sonntag ankündigte, auf eine vorzeitige Bundestagswahl hinzuwirken. Damit hatte niemand gerechnet, denn das Grundgesetz sieht nicht vor, daß der Bundeskanzler die Wahlperiode verkürzt. Josef Isensee, Ordinarius für Öffentliches Recht in Bonn, ist einer der führenden Staats- und Verwaltungsrechtler Deutschlands. Er gibt mit Paul Kirchhof das auf sieben Bände angelegte bedeutende "Handbuch des Staatsrechts" heraus.

Mit Isensee sprach Volker Zastrow für die FAZ.
"Die Einschätzungsprärogative des Bundeskanzlers setzen Gründe voraus, an seiner Mehrheit zu zweifeln. Hier aber hat der Kanzler schon die Neuwahl verlangt, bevor auch nur die Möglichkeit am Horizont aufgetaucht ist, daß er die Mehrheit verliert. Das war bei Willy Brandt anders, der hatte eine Haushaltsabstimmung verloren. Und Kohl hatte 1982 mit der FDP nur eine Zusammenarbeit auf Zeit vereinbart. Schröder will jetzt par ordre de mufti das Mißtrauen gegen sich selbst inszenieren."
Dann der Vorschlag:
"Wenn alle Parteien die Selbstauflösung des Bundestages wollen, wäre es gerader und ehrlicher, ein solches Recht zu schaffen. Das wäre jetzt möglicherweise erreichbar. Es müßte aber hohe Hürden enthalten: wenigstens eine Dreiviertel-, eher noch eine Vierfünftelmehrheit. Nur der Bundeskanzler sollte das Verfahren in Gang setzen dürfen, der Bundespräsident müßte die Auflösung verfügen. Dies alles ist zum Schutz der Minderheit, besonders kleiner Parteien, erforderlich. Eine solche Grundgesetzänderung wäre wenigstens sauber und redlich, kein schmieriger Umweg."

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